Am Freitag, 20.11.2020 hat mich Sigor Paesler von der Esslinger Zeitung am Telefon interviewt. Am 25.11.2020 ist dann ein feiner Artikel in der Esslinger Zeitung erschienen und auch im Internet veröffentlicht worden.
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LOKALSPORT - Serie: Sportler in der Warteschleife
Neuske hält die Motivation hoch
Normalerweise fährt er zehn bis zwölf Rennen im Jahr – in ganz Deutschland und im europäischen Ausland. Jetzt aber ist alles anders. Einen einzigen Wettkampf hat der Sirnauer Handbiker Markolf Neuske 2020 bestritten, und der wurde virtuell ausgetragen. Aber der 56-Jährige hält die Motivation hoch, genau 7701,82 Trainingskilometer hat er bislang absolviert. "Irgendwie habe ich es geschafft, es trotzdem durchzuziehen", sagt er.
7701,82 Trainingskilometer, ein virtuelles Rennen
Der Sirnauer Handbiker Markolf Neuske ist in diesem Jahr nur auf heimischen Strecken unterwegs.
Von Sigor Paesler
Quelle: Artikel vom 25.11.2020 © Eßlinger Zeitung
Von Sirnau geht es zum Aufwärmen Richtung Körschtal und den Berg hinauf gen Köngen. Dann läuft die Zeit. Nach gut 23 Kilometern zwischen Köngen, Denkendorf und das Körschtal hinunter ist Markolf Neuske wieder an der "Rettichbar" bei Deizisau. Es ist der 27. September, es herrscht Schmuddelwetter. Und es ist das einzige Rennen, das der Sirnauer Handbiker in diesem Jahr absolviert. Er nimmt am Ulmer Einstein-Halbmarathon teil. Neuske aber fährt die Strecke in der Heimat, weil das Rennen virtuell ausgetragen wird. Eine ganz neue Erfahrung.
"Alle anderen Rennen sind ausgefallen. Es war nichts, nada", erzählt der Sirnauer und man hört ihm die Enttäuschung an. "Wir haben uns von Absage zu Absage geschleppt." Zehn bis zwölf Wettkämpfe bestreitet er sonst im Jahr. Auch international ist er regelmäßig unterwegs. Sogar auf der Formel-1-Strecke in Abu Dhabi ist er schon gefahren.
Eine Absage nach der anderen
Eine virtuelle Veranstaltung kann das nicht ersetzen. "Es war aber eine gute Sache", erzählt der 56-Jährige und ergänzt lachend: "Alleine schon deshalb, weil es vom Wetter das schlechteste Wochenende im September war und ich sonst nie im Leben rausgegangen wäre auf die Straße." Am Ende zeigte sein Wattmesser, dass er fast dieselben Werte hatte wie bei einem richtigen Wettkampf mit Konkurrenten auf der Strecke: "Ich habe mich rangehalten." Nachdem er seinen Streckenverlauf und die Zeit hochgeladen hatte, kam eine Urkunde zurück – für die Teilnahme, ohne Platzierung, denn die ließ sich freilich nicht vergleichen. Jeder war auf seiner Strecke gefahren, die eine war bergiger, die andere flacher.
Viele Konkurrenten hören auf
Kein Rennen. Als die Saison Anfang April beginnen sollte, war die Schranke des ersten Lockdowns schon gefallen. Als es im September weitergehen sollte, wurde ein Wettkampf nach dem anderen abgesagt. Sein Trainingsprogramm hat Neuske trotzdem absolviert wie jedes Jahr. Im Gegensatz etwa zu Mannschaftssportlern trainiert er auch sonst alleine, ist in diesem Punkt also nicht von der Corona-Pandemie ausgebremst. "Irgendwie habe ich es geschafft, es trotzdem durchzuziehen", sagt Neuske über seine Motivation, "man hat immer gewartet, dass sich doch noch eine Lücke auftut und es ein Rennen gibt." 7701,82 Trainingskilometer, davon 5037,91 Kilometer auf der Rolle und 2663,91 auf der Straße in 467,49 Stunden plus 61,15 Stunden Krafttraining lautet seine beeindruckende Trainingsbilanz 2020 bislang – die elektronischen Helferlein zeichnen alles auf.
Wenn es schon keine Rennen gab, konnte Neuske, der seit einem Motorradunfall im Jahr 1984 querschnittsgelähmt ist, so im Urlaub zumindest locker mit seiner Frau auf dem E-Bike mithalten. "Das ist auch eine Motivation, ich bin komplett austrainiert", erklärt er lachend. Andere sind weniger gut durch das wettkampffreie Jahr gekommen. Viele Konkurrenten haben sich selbst einen Akku ins Liegerad bauen lassen. "Sie haben sich vom Leistungssport verabschiedet", erzählt Neuske bedauernd.
Auf seinen Beruf hat sich die CoronaKrise kaum ausgewirkt. Neuske arbeitet als Entwickler bei einer Sicherheitssoftware Firma. Zwar ist das Büro in Filderstadt leerer als sonst, weil viele Kollegen von zu Hause aus arbeiten. "Ich war aber noch nicht im Homeoffice", erklärt Neuske. Genug zu tun gibt es auch.
Die Zeit zum Training nimmt er sich trotzdem. Aber der Blick in den Keller tut Neuske schon ein bisschen weh. Dort steht sein Carbon-Bike, ein teures Stück Hightech. Das nutzt er nur für die Wettkämpfe. Und die gab es in diesem Jahr nicht. Das letzte "richtige" Rennen hat er Ende September 2019 absolviert. Beim Halbmarathon in Ulm. Also wirklich in Ulm. Fürs Training nimmt er das straßentaugliche Rad. Das ist weniger chic und mit 20 Kilogramm doppelt so schwer wie die Rennmaschine. Mit der Straßenversion hat er auch das virtuelle Rennen im September bestritten. Das war besser als nichts. Auch, wenn er dafür auf Wegen fuhr, die er in- und auswendig kennt.
> In der Serie "Sportler in der Warteschleife" berichten wir während der Zeit des Shutdowns im Sport über Athleten verschiedener Disziplinen und ihren Umgang mit der Coronavirus-Krise.